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Zwischen Anspruch & Erwartung – Klarheit mit dem TetraLemma

Blogbeitrag: Zwischen Anspruch & Erwartung – Klarheit mit dem TetraLemma

Wie ein systemisches Denkmodell hilft, innere Spannungsfelder im Arbeitsalltag zu lösen

Wer im Berufsleben Verantwortung trägt, kennt das Gefühl: Der eigene Anspruch an Leistung und Qualität trifft auf äußere Erwartungen – von Führungskräften, Kolleginnen und Kollegen oder auch dem gesellschaftlichen Umfeld. 

Häufig entsteht daraus ein innerer Konflikt, der Energie bindet und Entscheidungsprozesse lähmt. Doch wie können solche Spannungsfelder differenziert betrachtet und konstruktiv mit ihnen umgegangen werden?

Eine wirkungsvolle Methode aus dem systemischen Coaching ist das TetraLemma, gerade wenn Ambivalenzen zur Tagesordnung gehören. Es erweitert die klassische Schwarz-Weiß-Logik und ermöglicht neue Perspektiven, besonders in komplexen oder scheinbar festgefahrenen Situationen.

Wenn innerer Anspruch und äußere Erwartungen aufeinandertreffen

In einem Resilienztraining wurde das Spannungsfeld zwischen Leistungsanspruch und Erwartungsdruck mithilfe des TetraLemmas reflektiert. Das Modell unterscheidet vier Perspektiven – plus einen fünften Raum für neue Aspekte oder Lösungen. Diese Denkstruktur unterstützt Führungskräfte und Mitarbeitende dabei, wieder mehr Klarheit und Handlungsspielraum zu gewinnen.

Die vier Felder des TetraLemmas im Arbeitskontext

Diagramm zum Thema „Spannungsfelder betrachten mit dem TetraLemma“. In der Mitte steht „1 Das Eine – Aspekte …“. Rechts daneben „2 Das Andere – Aspekte …“. Unten mittig steht „3 Beides – Was haben ‚Das Eine‘ und ‚Das Andere‘ gemeinsam?“ Links unten steht „Lösungsansätze – Welche Lösungsansätze gibt es zu den Spannungsfeldern?“. Oben steht „4 Keines von Beiden – Was ist weder ‚Das Eine‘ noch ‚Das Andere‘?“ Alle Felder sind durch Pfeile miteinander verbunden. Am oberen Rand steht der Titel, unten links die Frage „Welche Aspekte gibt es bei …“ mit den vier Auswahlmöglichkeiten 1 bis 4. Ganz unten steht: „5. Welche Lösungsansätze/Ideen haben wir?“ Die Farben sind klar voneinander abgegrenzt: rot, blau, grau, grün, violett. Quelle: Renate Freisler.

  1. Das Eine – der eigene Anspruch

Dahinter steckt der Wunsch, stark zu sein, Verantwortung zu tragen und sichtbar etwas zu leisten. Häufig ist dies verbunden mit innerem Druck und mit der Befürchtung, nicht zu genügen.

Typische Alltagssituation:
Eine Führungskraft setzt sich selbst unter Druck, jedes Projekt perfekt abzuwickeln, auch wenn das Team bereits überlastet ist.

Reflexion:

  • Welche Anteile meines Anspruchs treiben mich an – und wo kippt es in Selbstüberforderung?
  • Was entsteht daraus für mein Team oder meine Zusammenarbeit?
  • Wo würde es reichen, gut statt perfekt zu sein?

Praxistipp:
Definiere „gut genug“ bewusst. Nutze eine konkrete Auftragsklärung und Checklisten, um Qualität zu sichern – ohne ständig nachzuschärfen.

  1. Das Andere – die Erwartungen von außen

Vorgaben der Führungsebene, unausgesprochene Erwartungen im Team oder aus anderen Bereichen, kulturelle Normen im Unternehmen. Oft diffus und implizit, aber stark steuernd.

Typische Alltagssituation:
Eine Mitarbeiterin übernimmt Aufgaben, weil sie sich nicht traut „Nein zu sagen“ – obwohl sie eigentlich andere Prioritäten hätte.

Reflexion:

  • Welche Erwartungen nehme ich wahr – ausgesprochen oder unausgesprochen?
  • Was interpretiere ich hinein, was wird wirklich erwartet?
  • Welche Erwartungen sind verhandelbar?

Praxistipp:
Sprich Erwartungen an – offen und konkret. Erfrage Prioritäten, statt zu interpretieren, was „jetzt wichtig“ oder „besonders dringend“ ist.

  1. Beides – was Anspruch und Erwartung miteinander verbinden kann

Wenn der eigene Anspruch und die Erwartungen von außen nicht als Gegensätze betrachtet werden, sondern als zwei Seiten einer Realität, entsteht ein neues Verständnis. Viele Herausforderungen im Arbeitsalltag zeigen, dass diese beiden Kräfte durchaus verbindbar sind – wenn man sie nicht als Kontrahenten, sondern als Ressourcen sieht.

Typische Alltagssituation:
Eine Teamleitung möchte strategisch arbeiten (eigener Anspruch), wird aber ständig mit kurzfristigen Anforderungen konfrontiert (Erwartung). In der Reflexion zeigt sich: Genau in dieser Spannung liegt Potenzial für Priorisierung, Kommunikation und Rollenklarheit.

Reflexion:

  • Was haben mein Anspruch und die äußeren Erwartungen gemeinsam?
  • Welche Stärken bringt jede Seite mit und wie ergänzen sie sich?
  • Wo kann ich den Anspruch nutzen, um die Erwartung zu erfüllen oder umgekehrt?
  • Welche meiner Grundannahmen über „so muss es sein“ könnte ich hinterfragen?

Praxistipp:
Suche gezielt nach Schnittstellen: Was wäre eine Lösung, die sowohl den inneren Maßstäben entspricht als auch Erwartungen erfüllt? Oft liegt sie im Perspektivwechsel oder in einer klaren Entscheidung, was nicht erfüllt werden muss.

  1. Keines von beiden – Raum für neue Perspektive

Wenn weder der eigene Anspruch noch die äußeren Erwartungen den Takt vorgeben, entsteht etwas Überraschendes: ein Raum, in dem neue Sichtweisen möglich werden. Das bedeutet nicht Rückzug oder Gleichgültigkeit, sondern Loslassen alter Denkmuster, um kreative oder langfristigere Wege zu sehen.

Typische Alltagssituation:
Eine Führungskraft stellt fest, dass sie sich seit Monaten zwischen Qualitätsanspruch und Erwartungsdruck zerreibt. Sie entscheidet bewusst, beides temporär loszulassen, um über neue Arbeitsstrukturen nachzudenken.

Reflexion:

  • Was passiert, wenn ich weder dem Anspruch noch den Erwartungen folge?
  • Was könnte entstehen, wenn das vermeintliche Dilemma gar kein Widerspruch wäre?
  • Wie sähe meine Situation aus, wenn das Spannungsfeld schon gelöst wäre? Was wäre dann meine nächste Aufgabe?
  • Warum halte ich vielleicht (noch) an dieser Spannung fest? Was gibt sie mir?

Praxistipp:
Gönn dir einen Denkraum ohne Lösungsdruck: ein Spaziergang, ein Austausch außerhalb des Systems, eine kreative Übung. Der Perspektivwechsel beginnt oft da, wo aufgehört wird, eine sofortige Antwort zu suchen.

  1. Lösungen entwickeln – konkret und alltagstauglich

In der Arbeit mit dem TetraLemma entstehen nicht nur neue Sichtweisen, sondern oft auch ganz praktische Schritte:

  • Den inneren Perfektionismus entlarven und relativieren
  • Bewusster kommunizieren – Erwartungen klären, statt mutmaßen
  • Prioritäten setzen – was ist jetzt wesentlich?
  • Handlungsspielraum erkennen – auch jenseits gewohnter Denkweisen

Diese Reflexion stärkt die Fähigkeit zur Selbstführung – im Führungsalltag wie auch in der Zusammenarbeit.

Warum das TetraLemma wirkt?

Die Methode erlaubt, Ambivalenz nicht als Schwäche, sondern als Realität zu betrachten. Gerade dort, wo schnelle Entscheidungen herausfordernd sind oder Erwartungen unklar bleiben, kann das TetraLemma helfen, klar und handlungsfähig zu bleiben.

Für alle, die beruflich viel Verantwortung tragen, ist es ein nützliches Werkzeug, um Entscheidungen nicht reflexhaft, sondern reflektiert zu treffen.

Praxis-Tipp: Das TetraLemma im Führungsalltag anwenden

Das TetraLemma eignet sich sowohl als persönliches Reflexionstool als auch zur Arbeit im Coaching oder im Teamprozess. So kann es im Alltag angewendet werden:

  • Spannungsfeld visualisieren. Auf einem Blatt Papier „Das Eine“ und „Das Andere“ notieren. Begriffe, Gefühle und Haltungen zu jeder Seite sammeln.
  • Leitfragen durchdenken. Jede der vier (bzw. fünf) Positionen systematisch betrachten und mithilfe der Fragen ausloten.
  • Blinde Flecken markieren. Wo zeigen sich festgefahrene Denkweisen? Wo liegt Potenzial für alternative Perspektiven?
  • Für „Keines von Beiden“ und „Etwas ganz anderes“ offen sein. Diese Positionen erweitern den Denkraum und ermöglichen überraschende Lösungsimpulse.

Reflexionsfragen zum Mitnehmen

  • Worauf höre ich, wenn ich unter Druck stehe – auf mein Inneres oder auf das Außen?
  • Welcher Anteil meines Anspruchs stärkt mich und welcher schwächt mich?
  • Welche Erwartungen habe ich ungeprüft übernommen?
  • Welche Perspektive würde mir meine Entscheidung erleichtern?

Spannungsfelder produktiv nutzen

Das Spannungsfeld zwischen Anspruch und Erwartung begleitet viele Menschen im Berufsleben. Mit dem TetraLemma lassen sich diese Konflikte nicht nur analysieren, sondern produktiv lösen. Statt unsicherem Handeln entstehen oft bessere Entscheidungen. Statt Druck wächst Selbstführung.

Welche Sichtweise war für Sie besonders hilfreich?
Wo erleben Sie ähnliche Spannungen und wie gehen Sie damit um?

Ich freue mich auf Ihre Gedanken und Erfahrungen. 

Nehmen Sie Kontakt mit mir auf, um Ihre inneren Spannung zu bearbeiten.

Renate Freisler

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